Manfred Termath: Aus der 90jährigen Geschichte des Schachvereins Bottrop 1921
Dem Schachverein 1921, Bottrops erstem Schachclub, stellte sich mit seiner Gründung eine sportliche
und soziale Aufgabe zugleich. Bei seinen Mitgliedern gab es große „Standesunterschiede“ zwischen
„Bergleuten und Bürgerlichen“, wie der Chronist vermerkt. Er fügt, wohl schmunzelnd, hinzu, dass die
Bergleute „schachlich eindeutig überlegen waren“. Gewiss gab es im damaligen Bottrop, das als
„größtes Dorf Preußens“ charakterisiert wurde und soeben 1919 die Stadtrechte erhalten hatte, ein
problematisches Nebeneinader von alteingesessenen Bürgern und zugewanderten Bergarbeitern aus dem
Osten Deutschlands. Und vor diese soziale und auch sprachliche Barriere („Klein Warschau“) sahen
sich die Schach-Jünger gestellt. Wie viel Toleranz und Zusammenhalt müssen in ihrem neuen Verein
gelebt worden sein, dass seine frühen Jahre sogleich von Erfolgen erhellt wurden.
So verschaffte er sich schnell Respekt in der Nachbarschaft: Die Osterfelder, Gladbecker und Essen-
Dellwiger Clubs wurden besiegt. Beherzt zog der SV seine Siegeskreise weiter. In den Bezirks-,
Kreis- und Verbandsmeisterschaften der Mannschaften erkämpfte er sich in den 20er und 30er Jahren
Meistertitel in Serie. Dann 1950 ein Jubelruf aus der Vereinschronik: „Die 1. Mannschaft steigt zum
ersten Mal in die höchste deutsche Klasse (Bundesklasse) auf“. Ein Ruhmesblatt stellt hier der
5,5 : 2,5-Sieg über den deutschen Meister, die Essener Schachgesellschaft, dar. Dieser Höhenflug in die
Erstklassigkeit konnte, nach zwischenzeitlichen Abstiegen, 1954 und 1972 wiederholt werden.
Bis 1990 behauptete sich der SV nunmehr in der Bundesklasse (NRW). In den Hochburgen des Schachs
kannte man die Bottroper als geachtete und oft auch gefürchtete Gegner. Die Schlachten gegen Caissa
Münster und den SV Siegen sind zu einer Legende geworden. Es folgten ruhigere Jahre in der Verbands-
liga und Verbandsklasse. Doch 2008 konnte die Erste des SV der WAZ den Sprung in die Regionalliga
Ruhrgebiet melden: „Damit sind die Farben der Stadt Bottrop nach 17jähriger Abwesenheit wieder in
der Schach-Regionalliga vertreten.“
Der Aufgabe, Jugendliche für den Schachsport zu gewinnen, haben sich im SV 21 in jeder Dekade
Idealisten gestellt. Als Jugendwarte haben sie in oftmals geduldigen Lehrgängen ihre Erkenntnisse und
Liebe zum königlichen Spiel weitergegeben. Dieser Nachwuchs-Fundus schenkte dem Verein stetig
neue Leistungsträger. So zeigt sich auch 2011 die 1. Mannschaft überwiegend mit Eigengewächsen
aufgestellt. Der größte Erfolg der Jugendarbeit war, dass der 17jährige Schüler Jaroslaw Krassowizkij
2009 den NRW-Meistertitel nach Bottrop holte.
Dem SV jugendfrisch beizutreten und ihm in lebenslanger Treue zu dienen, das wird belohnt:
3 Senioren des SV, Beitritt mit 15 Jahren, sind heute, nach 62jähriger Mitgliedschaft, noch Säulen
ihrer Mannschaft und jedem Gegner im weiten Schachbezirk gewachsen.
Zu Veranstaltungen, die in Bottrop für den Schachsport warben, hat der SV häufig eingeladen. So viel
Schach-Prominenz gab hier ihre Visiten-Karte ab, dass es sich wie ein Verzeichnis deutscher Meister
des 20. Jahrhunderts liest. Die Chronik erinnert an die Simultan- und Blindschach-Vorstellungen von
Reti, Mieses, Sämisch, Dr. Lange, Kieninger, Dr. Tröger, Hübner. Jubiläums-Events wie Prominenten-
Freiluft-Riesenschach und Austragung der NRW-Meisterschaft Herren und Damen sind erinnerlich.
Viel Beachtung fanden im vergangenen Jahrzehnt die beiden Veranstaltungen im offenen Hansa-Zentrum,
als der Großmeister Hort sich simultan mit der Elite des SV maß.
Nach dem 2. Weltkrieg hat der SV einen Beitrag zur Völkerverständigung geleistet. Er knüpfte im
Rahmen der Städtepartnerschaft Bottrop – Tourcoing ein Freundschaftsband zum französischen
Schachclub Tourcoing. Wiederholt reisten die Schachfreunde über die Grenzen zueinander –
die Damen mit von der Partie, traten in respektvollem Vergleichskampf aufeinander und feierten
im Ausgang fröhlich miteinander.
In den Stürmen der Zeit hat der SV Bottrop 21 über 9 Jahrzehnte standgehalten. Hingegen hatten die
weiteren zahlreichen Schachclub-Neugründungen im Stadtgebiet keinen Bestand.
(Ausnahme: SF Kirchhellen seit 1972).